Für Lehrer

Modell für Erfolgsbedingungen und Leitlinien für Lehrkräfte für den Einsatz digitaler Spiele im Geografieunterricht.

Leitfaden für Lehrkräfte zur Nutzung digitaler Spiele im Geographieunterricht

Joelle-Denise Lux & Alexandra Budke

Digitale Spiele als interaktives Medium bieten einzigartige Potenziale für die Bildung, wie zum Beispiel für exploratives Lernen (Van Eck 2006), das Ausprobieren von Problemlösestrategien (Gaber 2007) oder eine gesteigerte Lernmotivation (Arnold, Söbke & Reichelt 2019). Viele Unterhaltungsspiele bieten auch Inhalte an, die relevant für die Geographiedidaktik sind, beispielsweise in Bezug auf gegenwärtige Themen wie Klimawandel oder Ressourcenkonflikte. Neben der Nutzung ihrer positiven Potenziale sollten digitale Spiele im formellen Lernkontext reflektiert werden (Medienberatung NRW 2020:21), da Jugendliche in ihrer Freizeit regelmäßig mit diesem Medium in Berührung kommen (MPFS 2018:57) und durch die dargestellten Inhalte beeinflusst werden. Daher liegt es in der Verantwortung von Lehrkräften, an Schulen Kompetenzen für den Umgang mit diesem Medium zu bilden. Gleichzeitig liefern Spiele den Lehrkräften die Möglichkeit, spannendere und möglicherweise effektivere Unterrichtseinheiten anzubieten. Die folgenden Leitlinien sollen den Lehrenden, vor allem im Bereich der Geographie, dabei helfen. 

Dieser Leitfaden basiert auf unserer Forschung innerhalb des Projektes DiSpielGeo. Bisher wurde zu Spielen, insbesondere Unterhaltungsspielen, in Bezug auf Bildung im Bereich komplexer gesellschaftlicher Themen kaum geforscht. Eben diese Themen sind besonders relevant für den Geographieunterricht. Innerhalb des DiSpielGeo Projektes untersuchten wir – Forschende des Instituts für Geographiedidaktik der Universität zu Köln sowie des Cologne Game Labs der TH Köln – die Potenziale und Grenzen von digitalen Unterhaltungsspielen für die Geographiedidaktik (Czauderna & Budke 2020, 2021, Lux & Budke 2020a, 2020b, Lux, Budke & Guardiola, in Vorbereitung). Unsere Studien befassten sich hauptsächlich mit Simulations- und Strategiespielen, darunter SimCity, Cities: Skylines, sowie Tropico 6. Diese Spiele befassen sich mit mindestens einem der folgenden gesellschaftlichem Themen: Klimawandel, (nachhaltige) Ressourcennutzung, Stadtentwicklung und Migration. Unsere Studien beinhalten Analysen zur Komplexität, zum Inhalt, zum Design von Entscheidungsfindungen sowie zur Signifikanz für die politische Bildung, sowie Interviews mit Entwickler:innen sowie mit Spielenden. Mit diesen Studien wollen wir nicht nur einen Beitrag zur wissenschaftlichen Literatur leisten, die sich mit Spielen im Bildungskontext beschäftigt, besonders im Kontext des Geographieunterrichts, sondern auch einen praktischen Leitfaden für alle Beteiligten bei der Gestaltung und dem Einsatz von geographierelevanten Spielen im Unterricht ableiten. Der folgende Leitfaden richtet sich an Lehrerinnen und Lehrer, die bereit sind, das komplexe Medium Spiel für die Gestaltung eines sinnvollen, aber auch spannenden Geographieunterrichts zu nutzen, und soll sie dabei unterstützen. Diese Leitlinien sollen nicht alle in diesem Zusammenhang wichtigen Aspekte abdecken, aber sie enthalten alle Erkenntnisse, die wir aus unserer Grundlagenforschung zu Unterhaltungsspielen mit geographisch relevanten, komplexen Themen gewinnen konnten. Wir sind jedoch offen für fundierte Verbesserungsvorschläge sowie Ergänzungen – kontaktieren Sie uns gerne über unsere E-Mail-Adresse info@dispielgeo.de.

1. Auswahl der Spiele

Nachdem der Entschluss gefasst ist, digitale Spiele in den Unterricht zu integrieren, gilt es ein Spiel auszusuchen. Eine Vielzahl Forschender argumentiert, dass nicht nur sogenannte Serious Games eine valide Wahl sind. Wie unsere Forschung zeigt, decken Unterhaltungsspiele mit Fokus auf gesellschaftlichen oder sozioökonomischen Themen viele Themen des Geographie-Lehrplans ab (Lux & Budke 2020b). Von der Realität abweichende Darstellungen können dabei auch nützlich sein, nämlich als Anstoß sowohl zur Reflektion im Unterricht als auch zur Bildung von Medienkompetenz und kritischer Nutzung von Medien (Lux & Budke, 2020b; Lux, Budke & Guardiola, in Vorbereitung; Van Eck, 2006). Ein zusätzliches Argument zugunsten kommerzieller Spiele ist, dass Bildungsspiele häufiger weniger motivierend und weniger komplex sind, sowie weniger Handlungsfreiheit bieten (bspw. Shen et al. 2009). Daher empfehlen wir, der Nutzung kommerzieller Spiele offen gegenüber zu stehen. Im Folgenden haben wir Kriterien zusammengestellt, die Ihnen dabei helfen, das richtige Spiel für Ihren Zweck zu finden.

Es gibt zudem verschiedene Plattformen im Internet, die Eltern und Lehrkräfte dabei unterstützen, Spiele zu finden, die angemessen für bestimmte Altersgruppen und Lernziele sind. Dazu wird teilweise Lehrmaterial angeboten.

Internetseiten auf Deutsch:

1.1 In Bezug auf allgemeine Auswahlkriterien, beachten Sie technische Anforderungen, Thema, Angemessenheit für die Altersgruppe, Zugänglichkeit und Barrierefreiheit!

Die ersten bestimmenden Faktoren für die Auswahl eines Spieles sind die technische Ausgangslage im Klassenraum und bei den Schüler:innen, die Angemessenheit für die Altersgruppe, die Zugäng-lichkeit des Spiels für Spielende mit unterschiedlicher Vorerfahrung, sowie der zur Verfügung ste-henden Zeitraum.

Die allgemeine Ausgangslage schränkt die Auswahl an Spielen am meisten ein. Die erste zu fällende Entscheidung ist die zwischen Computer oder mobilem Endgerät (Handyspiel). Allgemein empfehlen wir die Nutzung von Computerspielen, da diese in der Regel komplexer als Handyspiele sind (s. Lux & Budke 2020a:28), da letztere für kleinere Bildschirme sowie kurze und niedrigschwellige Spielweisen konzipiert sind. PC-Spiele haben unterschiedliche technische Voraussetzungen, jedoch gibt es in der Regel Spiele für jegliche Art von Schulcomputern. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit des sogenannten Cloud Gamings, was das Spielen technisch anspruchsvoller Spiele auf veralteter Hardware ermöglicht. Hierzu gibt es verschiedene Anbieter, die einfach über eine Suchmaschine gefunden werden können. Falls die technische Ausgangslage (oder das zur Budget) kein individuelles Spielen während des Unterrichtes zulassen, gibt es andere Möglichkeiten, das Spiel in den Unterricht einzubinden (s. auch „3: Einbettung des Spiels in den Unterricht“). Für den Fall, dass Computerspiele keine Option sind, können Handyspiele eine berechtigte Wahl darstellen, falls diese genügend für die Geographiedidaktik relevante Repräsentationen beinhalten (s. Abschnitt 1.2) und falls die Vereinfachungen genügend reflektiert werden (s. „4: Nachbesprechung“). Handyspiele haben den Vorteil, dass sie einfach in den Unterricht eingeführt werden können, da die meisten Studierenden Smartphones besitzen und die notwendige Hardware damit vorhanden ist. Sie lassen zudem flexiblere Spielzeiten zu.

Selbstverständlich ist die Angemessenheit für die Altersgruppe auch ein wichtiger Faktor. In der Regel beinhalten Simulations- und Strategiespiele nur dann Gewalt, falls deren Fokus auf militärischer Planung beruht. Städtebauspiele, Wirtschafts- und politische Simulationen sind, nach unserer Erfahrung, gewöhnlich auch für junge Spielende angemessen. Angemessenheit dreht sich jedoch nicht nur um die offizielle Altersfreigabe, wie sie durch beispielsweise „Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle“ (USK; https://usk.de/ ) oder “Pan-European Game Information” (PEGI; https://pegi.info) in Bezug auf Gewalt, Vulgärsprache und ähnliches erfolgt. Es geht auch um die Angemessenheit in Bezug auf das Kurrikulum. Das Spiel sollte wenigstens Teile des Kurrikulums behandeln, um inhaltlich angemessen zu sein. Dies bedeutet aber nicht, dass das Spiel aufs höchste realistisch sein muss. Dies kann nämlich wertvoll für die Medienaffinität sowie der Fachkenntnisse der Schüler:innen sein, wenn sie die Vereinfachungen des Spiels mit der Realität vergleichen. (Van Eck 2006:23) (s. “4: Nachbesprechung”).

Neben diesen allgemeinen Auswahlkriterien muss das Spiel auch über sogenannte accessibility verfügen – Zugänglichkeit. Diese muss sowohl für die Schüler:innen als auch für die Lehrkräfte vorhanden sein. Zum einen sollten die Lehrkräfte das Spiel gut verstehen, bevor sie es in den Unterricht einführen. Sonst können wichtige Aspekte, die der Reflektion bedürfen, übersehen werden. Neben dem eigenen Spielen können Informationen häufig in sogenannten Gameplay Videos oder „Let’s Plays“ auf Plattformen wie YouTube gefunden werden. Wikis können einfach über Suchmaschinen gefunden werden. Bei komplexen Spielen brauchen Lehrkräfte ein gewisses Maß an Vorerfahrung oder besonderes Engagement in der Vorbereitungsphase. Handyspiele sind in der Regel einfacher zu verstehen, was sich auf die Auswahl der Spielplattform und die technischen Voraussetzungen auswirken kann.

Relevant für die Zugänglichkeit und der Umsetzbarkeit im Unterricht ist auch, wie viel Zeit aufgewendet werden muss, bis die Unterrichtsrelevanten Themen im Spiel aufkommen. Sind sie von Beginn an relevant oder müssen Spielende Stunden aufwenden, bis diese relevante Entscheidungen treffen könne? Im Idealfall sind die Hauptthemen des Spiels sowie dessen Erfolgsvorgaben direkt mit dem Geographiekurrikulum verknüpft. Beispielsweise ist das Hauptthema von Fate of World der Klimawandel, wodurch Schüler:innen sich direkt mit dem geographischen Problem beschäftigen. Im Gegensatz dazu braucht es in Civilization VI – Gathering Storm mehrere Stunden, bis der Klimawandel aufkommt. Daher ist dieses Spiel eher für Projektwochen, freiwillige Arbeitsgruppen nach dem Unterricht oder für informelle Kontexte geeignet. Um herauszufinden, wie viel Relevanz geographische Themen für ein Spiel haben, können Sie Internetforen oder Webseiten von Spielezeitschriften (wie bspw. www.gamestar.de) besuchen. Sie können sich auch Trailer anschauen, zum Beispiel auf YouTube oder Plattformen von Vertreiben wie zum Beispiel Steam. Auf diese Weisen können Sie in Erfahrung bringen, ob es sich um ein Mehrspieler- (kooperativ oder kompetitiv) oder Einzelspielerspiel handelt. Dies beeinflusst das Maß der Zusammenarbeit während des Unterrichts unter den Spielenden und kann auch die Wahl beeinflussen.

1.2 In Bezug auf den Inhalt, beachten Sie die Darstellung sozioökologischer Herausforderungen und die Systemkomplexität

Gesellschaftliche Herausforderungen sind komplex – für den Unterricht ausgewählte Spiele soll-ten polytelische Konflikte, Kontroversen und die Systemkomplexität repräsentieren.

Neben den zuvor genannten allgemeinen Faktoren ist der geographische Inhalt der wichtigste zu bedenkende Faktor bei der Wahl des Spiels. Wenn Spiele genutzt werden, um über komplexe gesellschaftliche Herausforderungen zu unterrichten, sollten die Spielsysteme zu einem gewissen Grade geographisch komplex sein. Dies bedeutet das Spiele zumindest zum Teil die Komplexität geographischer Systeme mit ihren verschiedenen Akteuren, Maßstabsebenen und Systemzusammenhängen abbilden sollten.

Zum einen empfehlen wir die Wahl eines Spiels, das zumindest zwei für die Geographie relevante gesellschaftliche Themen beinhaltet. Diese Themen können beispielsweise der Klimawandel und Ressourcennutzung bei ECO oder Civilization VI – Gathering Storm, Städteplanung und Ressourcennutzung bei Cities: Skylines oder Städteplanung, Ressourcennutzung und Migration bei Tropico 6 (einen Überblick über Themen in den von uns ausgewählten Spielen finden Sie in Lux & Budke, 2020b:25). Spiele mit mehreren geographischen Themen erlauben die Darstellung der Zusammenhänge sozialer oder sozioökonomischer Phänomene und daraus resultierender Zielkonflikte. Diese Konflikte können im Unterricht besprochen werden, um Systemkompetenz zu bilden. Die folgende Grafik zeigt beispielhalft welche Zielkonflikte wir im Kontext von gesellschaftlichen Problemen in einer unserer Spielanalysen (Lux & Budke, 2020b:33) gefunden hatten. Diese Konflikte umfassen zum Beispiel die Emmissionsreduktion für den Klimaschutz und ökologische Nachhaltigkeit die im Konflikt mit den Zielen des Wachstums sowohl der Bevölkerung als auch der Wirtschaft stehen (Fig. 1).

Fig. 1: Auswahl an in Konflikt stehender Ziele in den von uns analysierten Spielen (Lux & Budke, 2020b:33).

Solche Zielkonflikte in der Entscheidungsfindung kommen häufig in komplexen Problemen im echten Leben vor. Spiele versetzen die Spielenden in die Lage, Entscheidungen zu treffen, die gewöhnlich außerhalb ihrer Reichweite sind (Lux, Budke & Guardiola, in Vorbereitung). Dies erlaubt es, dynamische Entscheidungsfindung in solchen komplexen Kontexten zu üben (Czauderna & Budke, 2020). Eben deshalb sind Spiele die zwei oder mehr geographische Themen verbinden besonders wertvoll für die Nutzung im Unterricht.

Daneben ist es wichtig, dass legitime Position in Bezug auf das gewählte Thema im Sinne des Beutelsbacher Konsens[1] sowie verschiedene Perspektiven repräsentiert sind (empfohlen durch Czauderna & Budke, 2020).  Spiele können diesem Anspruch gerecht werden, in dem sie zum Beispiel verschiedene Akteure, die eigene Sichtweisen auf das Problem haben, inkludieren. Durch diese Akteure können immanente Konflikte verständlich werden, beispielsweise Wähler oder Interessengruppen, wie die verschiedenen politischen Gruppierungen in Democracy oder Tropico. Falls ein Spiel solche Akteure beinhaltet, bietet es einen guten ersten Referenzpunkt für Multiperspektivität. Dazu erweitern Akteure die Komplexität des Systems – in echten polytelischen Konflikten spielen Akteure immer eine Rolle (Müller, 2016:37 ff.). Spiele sollten zudem den Spielenden erlauben, verschiedene zielführende Wege auszuprobieren (Czauderna & Budke, 2020). Dafür bieten sich Simulations- und Strategiespiele als Genre besonders an, wie aus unseren Studien hervorgeht. Dies liegt an den häufig übermächtigen Rollen, die die Spielenden einnehmen. Dadurch ist den Spielenden die Möglichkeit gegeben, mit verschiedenen Lösungen zu experimentieren. Abenteuer-, Action- und Puzzlespiele können auch für die Bildung genutzt werden, bieten jedoch häufig nicht den gleichen Umfang an Handlungsfreiheit.

[1] Der Beutelsbacher Konsens besteht aus drei Prinzipien, welche einen Mindeststandard im Gesellschaftsunterricht herstellen sollen. Die drei Prinzipien verbieten das Steuern der Schüler:innen in eine politische Richtung, gebieten, dass umstrittene Inhalte als umstritten präsentiert werden und messen den persönlichen Interessen der Schüler:innen einen hohen Stellenwert in der Bildung bei.

2 Vorbereitung

Innerhalb der Vorbereitungsphase sollten Lehrkräfte sich intensiv mit dem Spiel auseinandersetzen, alle nötigen technischen Vorbereitungen treffen und das Material für die Nachbereitung erstellen.

Da wir empfehlen, Spiele, die komplexe geographische Systeme repräsentieren, zu nutzen (s. 1.2, und Lux & Budke 2020a), ist es nötig, das Spiel intensiv zu erkunden, bevor es in den Unterricht eingeführt wird. Sonst kann es passieren, dass Potenziale verlorengehen. Dies kann geschehen falls wichtige Aspekte im Klassengespräch übersehen werden, vor allem, wenn es sich um Aspekte handelt, die die Schüler:innen nicht von sich aus ansprechen (Peters & Vissers 2004:81). Dies kann aber auch geschehen, falls sie die Fragen Ihrer Schüler:innen bezüglich des Spiels nicht beantworten können.

Sobald diese Basis steht, ist es Zeit, sich der technischen Vorbereitung zu widmen. Überlegungen, die Sie in dieser Phase machen sollten:

  • Wie viele PC bzw. andere Geräte werden gebraucht? Für Handyspiele: besitzen alle Schüler:innen brauchbare Smartphones oder werden Geräte der Schule benötigt? Für PC Spiele: Können Schulgeräte durch private Gaming Laptops (der Schüler:innen) ersetzt werden?
  • Werden andere technische Geräte benötigt? (Lautsprecher, Beamer, etc.)
  • Wie läuft die Installation des Spiels ab? Die Spiele sollten installiert sein, bevor der Unterricht beginnt!
  • Wie können eventuelle Kosten, die durch Spiele und Geräte anfallen, gedeckt werden?

Dann ist es an der Zeit, den Unterrichtsplan vorzubereiten. Es ist essential, Lernziele zu setzen und eine Verbindung zum Kurrikulum herzustellen. Der Unterricht sollte mit der Vorbereitung von Problemen oder Fragen, denen beim Spielen nachgegangen wird, beginnen. Damit soll das Problem vorgestellt, das bisherige Wissen der Schüler:innen aktiviert und Interesse geweckt werden. Zum Beispiel kann eine Unterrichtseinheit, die ein Städtebauspiel (wie bspw. Cities: Skylines oder SimCity BuildIt) nutzt, mit den Eindrücken der Heimatstadt der Schüler:innen beginnen, um den Unterrichtsinhalt mit deren persönlichem Leben zu verknüpfen. Bevor Sie mit dem Spielen (oder dem Streamen, je nachdem wie Sie das Spiel integrieren, s. Abschnitt 3) beginnen, ist es wichtig, Zeit einzuplanen, um den Sinn des Spiels für den Unterricht zu erklären und eine präzise Aufgabe mit dem Spielen zu verbinden. Genauso sollte genügend Zeit für die Reflexion eingebunden werden, da dieser Teil dem Spielen an Wichtigkeit gleichsteht (s. Abschnitt 4).

Der wichtigste Schritt der Vorbereitungsphase dreht sich um die Besorgung oder Erstellung von Unterrichtsmaterial. Von den Lernzielen und der Reflexion die stattfinden soll abhängig, wird passendes Material für ein Nachgespräch benötigt. Falls zum Beispiel die Unterrichtseinheit sich mit der Komplexität der Stadtentwicklung auseinandersetzt (mithilfe von SimCity, Cities: Skylines o.ä.), könnten Sie unter anderem informative Texte oder Interviews mit echten Akteuren der Urbanen Planung benötigen.

Generell sollten Sie sich überlegen, die Eltern vorher zu informieren – vor allem, wenn die Schüler:innen eigene Geräte mitbringen oder als Hausaufgabe spielen sollen. Es ist wichtig, die Eltern über den Zweck der Unterrichtseinheit zu informieren, damit diese den Kindern das Benutzen der Geräte erlauben – schließlich wird Gaming häufig mit Sucht in Verbindung gebracht. Ein Informationsblatt sollte über den Sinn, ein Spiel zu spielen, aufklären und klarstellen, wie lange die Schüler:innen das Spiel Zuhause spielen sollten. Falls ein sogenanntes „free-to-play“ Spiel (ein Spiel, das umsonst gespielt werden kann, aber einen In-Game-Shop hat) benutzt wird, sollten Informationen über mögliche Geschäftsabwicklungen und Zahlungen im Spiel zur Verfügung gestellt werden. Dadurch soll verhindert werden, dass unbeabsichtigte Käufe mit echtem Geld getätigt werden.

3. Einbettung des Spiels in den Unterricht

Wenn es darum geht, das Spiel in den Unterricht zu integrieren, haben die Lehrkräfte die Wahl, die Schüler:innen das Spiel selbst spielen zu lassen, es gemeinsam über einen Beamer zu spielen oder Gameplay-Videos zu zeigen und zu diskutieren. Alle diese Methoden haben Vor- und Nachteile.

Um das Potenzial der Spiele voll auszuschöpfen, sollten die Schüler:innen die Möglichkeit haben, die Spiele selbst zu spielen – entweder im Unterricht, in außerschulischen Kursen und Projekten oder als Hausaufgabe. Das tatsächliche Spielen der Spiele ermöglicht es den Schüler:innen, selbst zu experimentieren und verschiedene Lösungsstrategien für geographische Probleme zu erforschen sowie ihre eigenen Erfahrungen in der Nachbesprechungsphase auszutauschen. Für Schulen mit geringer technischer Ausstattung und geringem Budget bieten sich kostenlose Handyspiele wie SimCity BuildIt und Pocket City an (siehe „1: Auswahl der Spiele“).

Wenn Sie ein PC-Spiel ausgewählt haben und die technischen Voraussetzungen an der Schule oder das Budget ein individuelles Spielen in der Klasse nicht zulassen, ist es eine Option, das Spiel gemeinsam auf einem Gerät über einen Projektor / Beamer zu spielen. Falls es keine Möglichkeit gibt, ein bestimmtes Spiel im Unterricht zu spielen, bleibt die Option, Gameplay-Videos (z. B. auf YouTube) zu zeigen und die Spielerfahrungen zu diskutieren, die (zumindest manche) Schüler:innen in ihrer Freizeit gemacht haben. Dies kann bedeuten, dass viel Potenzial verloren geht, vor allem, wenn die Schüler:innen in ihrer Freizeit nicht selbst gespielt haben, da Erfahrungen aus erster Hand in jeder Disziplin besonders lehrreich sind (Montessori 1949); es kann jedoch trotzdem eine fruchtbare Unterrichtsstunde sein, wenn genügend Zeit für die Reflexion eingeplant wird.

Die Spielsitzung sollte mit einer bestimmten Aufgabe und dem allgemeinen Lernziel der Unterrichtseinheit verbunden sein. Wenn es in der Unterrichtsstunde beispielsweise darum geht, etwas über die Ursachen des Klimawandels zu lernen, dann könnte die Aufgabe für die Spielsitzung (z. B. mit ECO oder Democracy 3 und 4) darin bestehen, verschiedene politische Ansätze im Spiel auszuprobieren und zu notieren, wie sie den Klimawandel beeinflussen. Oder wenn Sie eine Unterrichtseinheit zum Kennenlernen der Funktionen und des funktionalen Aufbaus einer Stadt planen, können Sie einen City-Builder verwenden (für niedrigere Klassenstufen reichen Handyspiele wie SimCity BuildIt oder Pocket City, für höhere Klassenstufen empfehlen wir die komplexeren Städtebauspiele für den PC). Dabei können Sie die Aufgabe stellen, so viele Funktionen wie möglich in die eigene virtuelle Stadt einzubauen. Anschließend wird dann disktutiert, wie die Schüler:innen ihre Stadt aufgebaut haben und warum. Falls Sie nur Gameplay-Videos einbinden oder per Beamer spielen können, sollte es trotzdem eine Aufgabe beim Anschauen geben.

Wir empfehlen, die Ergebnisse dieser Phase auch schriftlich zu dokumentieren – in den genannten Beispielen etwa eine Tabelle zu den Ursachen des Klimawandels im Spiel oder die Gebäude im Spiel, die zu den verschiedenen Funktionen einer Stadt gehören. Dies kann zwischen oder nach den Spielsitzungen geschehen. Wir empfehlen auch, die Eindrücke der Schüler:innen über die Spielsitzung zu sammeln, bevor man mit der Reflexion beginnt. Eine offene Diskussion darüber, was den Schüler:innen an dem Spiel gefallen hat und was nicht, ist eine gute Möglichkeit, die Eindrücke aller zu sammeln. Sowohl die schriftlichen Ergebnisse als auch die Eindrücke aus dem Spiel können eine nützliche Grundlage für die anschließende Nachbesprechung sein.

4. Nachbesprechung

Wichtigste Aufgabe der Lehrenden im Kontext des spielbasierten Lernens ist es, eine inhaltsbe-zogene Reflexion zu führen; genauer gesagt, die Inhalte zu hinterfragen, das neu gewonnene Wissen zu sammeln, zu sortieren und zu ergänzen (Lux & Budke, 2020b:34) und über die Mög-lichkeiten und Grenzen des Spiels nachzudenken. Eine solche Nachbesprechung, d.h. sich die Zeit zu nehmen, die Spielsitzung zu diskutieren und zu reflektieren, ist ein wesentlicher Be-standteil jeder pädagogischen Nutzung von Spielen, da sie Lernprozesse auslöst (Crookall, 2010; Kritz, 2010; Schwägele, 2021). Eine Reflexion ermöglicht Lernprozesse, auch wenn das Spiel von der Realität abweicht oder wichtige Inhalte auslässt (Van Eck, 2006:24), und sie stärkt die Medi-enkompetenz der Schüler (Medienberatung NRW, 2020:21). Sowohl die Nachbesprechung in der Gruppe (wie von Peters & Vissers, 2004, empfohlen) als auch das Gespräch über ganz individuel-le Erfahrungen (dessen Bedeutung z.B. von Lederman, 1992, betont wird) sind in diesem Prozess wichtig. Die Reflexion kann am Ende einer Spielsitzung oder zwischendurch stattfinden. Im Fol-genden stellen wir dar, welche Aspekte unseren Studien nach wichtig sind, um sie in eine Re-flexion einzubeziehen.

4.1 Reflektieren Sie über das System innerhalb des Spiels!

Der erste Schritt der Reflexion über das Spiel ist das Spielsystem selbst, also die Darstellung und die Zusammenhänge zwischen den Themen innerhalb des Spiels. Zu verstehen, wie das geographi-sche System im Spiel funktioniert, ist die Grundlage für eine spätere Diskussion über Parallelen und Abweichungen von der Realität.

Bevor Parallelen oder Abweichungen von der Realität reflektiert werden können, empfehlen wir, eine Nachbesprechung der Darstellung geographischer Themen im Spiel durchzuführen. Da der Grundbegriff der Geographie das Konzept der Systeme ist (DGfG 2020:10f.), sind die verschiedenen Teile von Systemen eine gute Orientierung, welche Teile eines Spiels im Unterricht reflektiert werden sollten. Zum einen könnten die Systemelemente in den Fokus genommen werden. Das Spieläquivalent zu Akteuren und Strukturen / Faktoren in der Realität sind die virtuellen Akteure (Spielende, Nicht-Spieler-Charaktere, virtuelle Parteien/Interessengruppen), die steuerbaren Parameter (alle Variablen, die die Spielenden indirekt beeinflussen können, wie z.B. das Budget, die Höhe der Umweltschäden, die Anzahl der Einwohner etc.) und die antagonistischen Faktoren (alles, was sich der Kontrolle der Spieler entzieht, wie z.B. Naturkatastrophen oder natürliche Voraussetzungen) (vgl. Lux & Budke 2020a:6ff). Zum Beispiel könnten die Akteure im Mittelpunkt der Reflektion stehen, indem die Schüler:innen beauftragt werden, herauszufinden, welche Akteure einen Einfluss auf ein bestimmtes geographisches Thema im Spiel haben. Die Akteure, die die Stadtentwicklung in Tropico beeinflussen, sind zum Beispiel die Einwohner sowie lokale politische Gruppen und politische Partnerstaaten. Anschließend könnte die Darstellung dieser Akteure diskutiert werden – wird die Stadtbevölkerung z. B. als eine Masse dargestellt, oder haben sie unterschiedliche Bedürfnisse und Meinungen, gibt es sogar Interessengruppen? Die Diskussion kann dann als Überleitung zu einer Reflexion über Parallelen und Abweichungen zur Realität genutzt werden (s. 4.2).

In realen Systemen sind auch Prozesse wichtig (DGfG 2020:11), also die Ursache-Wirkungs-Beziehungen und Interdependenzen innerhalb des Systems. In Spielen, insbesondere aus dem Strategie- und Simulationsgenre, sind diese ebenfalls zu finden (vgl. Lux & Budke 2020a). Jede Handlung in einem Spiel hat einen Einfluss auf die virtuelle Welt. In der Reflexionsphase kann man sich z.B. anschauen, wie die verschiedenen Parameter im Spiel miteinander verbunden sind. Das heißt, wie die Veränderung einer Variable (z.B. die Anzahl der Staus) andere Variablen (z.B. die Zufriedenheit der Bewohner und die Treibhausgasemissionen) verändert, die dann wiederum die nächste beeinflussen. Da unterschiedliche Skalenebenen für das Fach Geographie von großer Bedeutung sind (DGfG 2020:11), ist es auch fruchtbar zu reflektieren, wie Handlungen auf einer Skalenebene im Spiel andere Skalenebenen beeinflussen (z. B. wie sich lokale Maßnahmen auf den globalen Klimawandel auswirken können, wie die lokale Stadtentwicklung die umliegende Region beeinflusst oder wie die internationale Migration eine Stadt beeinflusst). Diese Überlegungen zum im Spiel integrierten System sind eine gute Grundlage für die späteren Reflexionsphasen, insbesondere wenn es um den Vergleich mit der Realität geht.

Es lohnt sich auch, die Ansätze, Lösungen und Strategien der Spieler innerhalb des Spiels zu diskutieren. Laut Charsky (2010:199) kann das volle Potenzial des problemorientierten Ansatzes in Spielen nur dann im Bildungskontext genutzt werden, wenn die Ansätze der Spieler:innen mit den Lehrenden und Mitspieler:innen im Unterricht diskutiert werden. Im Kontext gesellschaftlicher Herausforderungen empfehlen wir insbesondere, die Strategien der Spieler:innen im Umgang mit Zielkonflikten (wie in Fig. 1 dargestellt) zu reflektieren, auf die sie bei der Lösung sozialer oder sozio-ökologischer Probleme stoßen. Fragen, mit denen eine Diskussion eingeleitet werden könnte, wären folgende: In welchen Situationen haben Sie die meisten widersprüchlichen Entscheidungen getroffen? Oder, genauer gesagt: In welchen Entscheidungssituationen mussten Sie zwischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekten abwägen? Wie haben Sie sich entschieden und warum?

In dieser Phase kann es auch fruchtbar sein, einen Blick darauf zu werfen, wie genau die Entscheidungsfindung im Spiel funktioniert. Die Entscheidungsfindung in Spielen basiert immer auf einer Schleife, einem sogenannten Loop (Czauderna & Budke 2020:5, Tekinbaş und Zimmerman 2003:316): Es entsteht eine Problem- / Konflikt- / Entscheidungssituation. Dann treffen Spielende eine Entscheidung, die zu einer Aktion führt. Diese wiederum führt zu einer Reaktion des Spiels, die über Feedback kommuniziert wird. Das wiederum führt zu neuen Entscheidungssituationen und bildet die Grundlage für die nächste Entscheidung, Dabei können zeitliche Modifikation und Vermittlung der Handlungswahl die Entscheidungsfindung unterstützen. Dieser Prozess kann auch im Unterricht reflektiert werden. Fragen, die dann gestellt werden können, sind zum Beispiel: Welche (geographischen) Entscheidungssituationen fandet ihr besonders interessant / schwierig und warum? Was war das Ergebnis eurer Entscheidung (in Bezug auf das geographische Thema)? Wie hat das Spiel das Ergebnis vermittelt? Haben andere in der Klasse anders entschieden und warum? Was war Ihrer Meinung nach im Nachhinein die beste Strategie und warum? Fragen wie diese können auch leicht als Überleitung zum nächsten Schritt, dem Vergleich mit der Realität, verwendet werden.

4.2 Reflektieren Sie die Parallelen zu und Abweichungen von realen Systemen!

Der nächste Schritt der Nachbesprechung sollte den Vergleich mit der Realität betreffen, der ent-scheidend ist, um die Verbindung zu den realen gesellschaftlichen Problemen herzustellen und Fehlinformationen zu vermeiden.

In einer Interviewstudie mit Spieledesignern haben wir festgestellt, dass bei der Entwicklung eines Spiels intensive Recherchen zu gesellschaftlichen Themen durchgeführt werden – allerdings selten mit Hilfe wissenschaftlicher Quellen (Lux, Budke & Guardiola, in Vorbereitung). Das bedeutet einerseits, dass viele Aspekte der in den gängigen Medien gezeigten Themen in das Spiel eingewoben werden, andererseits kann der Ausschluss aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse zu Abweichungen vom aktuellen Wissensstand führen. Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass der externe Realismus, der darauf abzielt, Aspekte des realen Lebens realistisch abzubilden, oft eine geringere Priorität hat als andere Formen des Realismus (ebd.). Höhere Priorität haben der interne Realismus, also spielinterne Logiken, die möglicherweise keinen Bezug zur Realität haben, und der wahrgenommene Realismus, was bedeutet, dass allgemein geglaubte Konzepte dargestellt werden (selbst wenn sie falsch sind), um den Spielinhalt realistischer erscheinen zu lassen. Spieleautoren fühlen sich in erster Linie der Unterhaltung verpflichtet, und sie sind sich ihres Einflusses auf die Bildung der Spieler unterschiedlich bewusst (Czauderna & Budke, 2021).

Eine Nachbesprechung der Parallelen und Abweichungen der Spiele von der realen Welt kann dazu beitragen, die Entstehung von Missverständnissen zu vermeiden, die sich aus den oben genannten gängigen Praktiken ergeben könnten. Sie kann auch die kritische Sichtweise stärken, die beim Umgang mit Informationen aus jeglicher Form von Medien angewendet werden sollte. Wie Van Eck (2006:24) vorschlägt, können die Lehrkräfte in einem ersten Schritt die Schüler:innen selbst entdecken lassen, an welchen Punkten ihr Wissen und der Spielinhalt aufeinandertreffen, um ein „kognitives Ungleichgewicht“ (ebd.) zu schaffen. Dann empfehlen wir, Material, das die fraglichen sozialen Probleme aus einer wissenschaftlichen Perspektive betrachtet, sowie authentisches Material (z. B. Zeitungsartikel, Zeugenaussagen / Interviews) zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise können die Schülerinnen und Schüler den Spielinhalt und ihr eigenes Hintergrundwissen mit dem Stand der Forschung und aktuellen authentischen Quellen vergleichen.

In dieser Phase der Reflexion ist es auch hilfreich, die verschiedenen Formen des Realismus in Spielen zu betrachten und zu diskutieren, welche Art von Realismus in dem jeweiligen Spiel mehr oder weniger betont wurde. Wenn man eine bestimmte Situation im Spiel auswählt, kann zum Beispiel diskutiert werden, ob die Situation innerlich realistisch, also logisch kohärent, und / oder äußerlich realistisch ist, was bedeutet, dass sie in der Realität so stattfinden könnte. Dann könnte die Klasse bestimmen, welche Aspekte des Realismus hervorgehoben wurden: Sind es Grafiken und Sounds? Die Aktionen, die man ausführen kann? Die Geschichte? Oder das geographische System mit all seinen Akteuren und Faktoren? Einen Überblick über die verschiedenen Arten von Realismus finden Sie in Lux, Budke und Guardiola (in Vorbereitung).

4.3 Lassen Sie die Spielenden über sich selbst nachdenken!

Während des Spielens lernen die Spielenden nicht nur etwas über den Inhalt des Spiels, sondern sie entdecken auch Aspekte über sich selbst. Wir empfehlen daher, sich Zeit für die Selbstreflexion zu nehmen, um die Persönlichkeitsbildung zu fördern.

Im Anschluss an die Diskussion über die Spielstrategien ist es sinnvoll, auch die Selbstreflexion anzuleiten. Während es unterschiedliche Definitionen dieses Begriffs gibt (siehe z.B. Jahncke et al. 2018:509), definieren wir in diesem Kontext Selbstreflexion als die Reflexion über die eigene Persönlichkeit, also Vorlieben, Einstellungen und Charaktereigenschaften.

Beim Spielen lernen die Schüler:innen auch etwas über sich selbst – zumindest über ihre Persönlichkeit im Spiel (und die der Mitspielenden). Sie lernen ihren Spielstil kennen, z.B. ob sie im Spiel eher Konflikte suchen oder vermeiden und warum. Wenn sie gut angeleitet werden, können sie auch etwas über ihre (politischen) Einstellungen und Wertvorstellungen lernen, z.B. ob sie immer versuchen, eine nachhaltige Stadt zu bauen, weil dies für sie im wirklichen Leben ein wichtiges Thema ist.

Als Anreiz für eine Diskussion können Sie Fragen verwenden, die denen ähneln, die wir in unserer Studie mit den Spielenden gestellt haben. Sie können Folgefragen zu den Fragen sein, die sich auf die Handlungen der Spielenden im Spiel beziehen (siehe 4.1) – zum Beispiel kann auf die Frage „Warum hast du dich im Spiel so verhalten, wie du es getan hast?“ die Frage folgen: „Würdest du dich in der Realität genauso verhalten? Warum / warum nicht?“. Wie unsere Interviews gezeigt haben, können solche Fragen eine Reflexion über die „Gamer-Persönlichkeit“ auslösen. Bei einer eingehenderen Diskussion können Sie auch weitere Einblicke in die eigene Persönlichkeit auslösen, wie z. B. die politische Einstellung, die die im Spiel getroffenen Handlungen und Entscheidungen beeinflussen kann.

4.4 Reflektieren Sie über das Spiel als Medium!

Ein letzter Schritt der Nachbesprechung könnte eine Meta-Reflexion über das Medium der Spiele sein - eine ganzheitliche Betrachtung der Vor- und Nachteile des Mediums für das Lernen über soziale Herausforderungen.

Ausgehend von den Spielerfahrungen und den vorangegangenen Reflexionsschritten kann auch eine Metareflexion über das Medium „Spiel“ angeleitet werden. Metareflexion bedeutet in diesem Fall, dass ein distanzierter Blick auf das Medium als Ganzes geworfen wird, insbesondere im Hinblick auf den Zweck seines Einsatzes im Geographieunterricht. Am einfachsten ist es, mit einem kritischen Blick auf das konkret eingesetzte Spiel zu beginnen und dann mit allgemeinen Überlegungen zum Medium fortzufahren. Denkanstöße könnten sein:

  1. Haben die Schüler:innen das Gefühl, dass sie durch das betreffende Spiel etwas über das betrachtete gesellschaftliche Thema gelernt haben, zum Beispiel über die Zusammenhänge zwischen Stadtentwicklung und Klimawandel oder über die an der Ressourcennutzung beteiligten Akteure? Warum / warum nicht?
  2. Halten sie ein anderes Spiel für besser geeignet? Oder ein anderes Medium, wie z.B. Lehrbücher, Filme usw.? Warum?
  3. Halten die Schüler:innen Spiele generell für ein geeignetes Medium, um über gesellschaftliche Themen zu lernen? Warum / warum nicht?
  4. Welche besonderen Vor- und Nachteile des Mediums (im Vergleich zu anderen Medien) sehen die SchülerInnen, insbesondere für das Lernen über aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen und Phänomene?
  5. Welche Aspekte sollten sie ihrer Meinung nach kritisch betrachten, wenn sie künftig in ihrer Freizeit spielen?

 

Diskussionen wie diese können dazu beitragen, das am konkreten Spiel Gelernte auf das allgemeine Medium Spiel zu übertragen und so die Medienkompetenz der Schüler:innen weiter zu stärken.

 

Literaturverzeichnis

Arnold, U., H. Söbke & Reichelt, M. (2019). SimCity in Infrastructure Management Education. Education Sciences 2019(9), Article 209.

Charsky, D. (2010): Making a connection: Game genres, game characteristics, and teaching structures. In: Van Eck, R. (Hrsg.): Gaming and Cognition. Theories and practice from the learning sciences. Information Science Reference, Hershey. S. 189–212.

Crookall, D. (2010). Serious games, debriefing, and simulation/gaming as a discipline. Simulation & gaming 41 (6), 898–920. DOI: https://doi.org/10.1177/1046878110390784

Czauderna, A. & Budke, A. (2020). ow Digital Strategy and Management Games Can Facilitate the Practice of Dynamic Decision-Making. Education Sciences 10(4), Article 99. doi: 10.3390/educsci10040099.

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